Die Evolution der Gitarrentechniken im modernen Metal

Die Gitarre ist das Herzstück des Metal. Über die Jahrzehnte hat sich das Gitarrenspiel im Metal rasant entwickelt. Moderne Metal-Gitarristen beherrschen ein beeindruckendes Arsenal an Techniken, die extreme Geschwindigkeit, Präzision und Ausdruckskraft ermöglichen. Viele dieser Techniken haben ihre Wurzeln in traditionelleren Musikstilen, wurden aber im Metal-Kontext adaptiert, perfektioniert und auf ein neues Level gehoben. Dieser Artikel nimmt dich mit auf eine Reise durch die Entwicklung einiger der wichtigsten Gitarrentechniken im modernen Metal.

Die Geburt des Metal-Riffs: Mehr als nur Lärm

Die frühen Blues-Gitarristen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts legten den Grundstein für viele moderne Gitarrentechniken. Slides, Bends und Vibrato – inspiriert von der menschlichen Stimme – wurden zu festen Bestandteilen des Gitarrenspiels. Man denke nur an die Legenden Robert Johnson und B.B. King. Mit dem Aufkommen des Rock’n’Roll in den 1950er und 60er Jahren katapultierten Gitarristen wie Chuck Berry, Jimi Hendrix, Jimmy Page und Eric Clapton die Gitarre in neue Sphären. Verzerrer, Wah-Wah-Pedale und immer leistungsstärkere Verstärker erweiterten das Klangspektrum enorm. Jimi Hendrix experimentierte wie kein Zweiter mit Feedback und unkonventionellen Effekten und öffnete damit Türen zu neuen Klangwelten, die bis heute nachhallen.

Tony Iommi und der Doom-Sound

Tony Iommi von Black Sabbath gilt als einer der Urväter des Metal-Riffs. Seine schweren, oft in tiefere Stimmungen getauchten Riffs und düsteren Melodien legten den Grundstein für unzählige Metal-Bands. Ein wesentliches Element seines Stils – und des Metal-Riffings im Allgemeinen – ist das Palm Muting.

Palm Muting und Powerchords: Die Basis

Beim Palm Muting werden die Saiten mit der Handkante nahe der Brücke abgedämpft. Das erzeugt diesen perkussiven, gedämpften Klang, der für so viele Metal-Subgenres typisch ist. Von Metallicas „Enter Sandman“ bis zu modernen Deathcore-Bands – Palm Muting ist ein absolutes Muss. Powerchords, bestehend aus Grundton, Quinte und Oktave, sind ein weiteres Grundnahrungsmittel des Metal. Sie sorgen für den dichten, kraftvollen Klang vieler Metal-Riffs. Das Zusammenspiel von Powerchords und Palm Muting, wie man es bei Bands wie Metallica in „Master of Puppets“ in Perfektion hören kann, erzeugt die typische rhythmische Wucht des Metal.

Die Ära des Shreddings: Schneller, höher, weiter

In den 1980er Jahren betrat eine neue Generation von Gitarristen die Bühne – die „Shredder“. Sie revolutionierten das Metal-Gitarrenspiel. Yngwie Malmsteen zeigte der Welt, was Geschwindigkeit auf der Gitarre wirklich bedeuten kann. Sweeping und Alternate Picking wurden zu Schlüsseltechniken, um ein wahres Feuerwerk auf dem Griffbrett abzubrennen.

Sweeping: Die Kunst des fließenden Arpeggios

Sweeping ermöglicht es, schnelle Arpeggien und Tonleiternläufe durch fließende Plektrumstriche über mehrere Saiten hinweg zu spielen. Es ist, als würde man mit dem Plektrum über die Saiten „fegen“.

Alternate Picking: Präzision im Hochgeschwindigkeitsbereich

Alternate Picking hingegen ist die Technik der Wahl, wenn es um die präzise Ausführung schneller Notenfolgen geht. Auf- und Abschlag wechseln sich ab – und das in einem Tempo, das so manchen Zuhörer schwindelig werden lässt.

Meister der Kombination: Paul Gilbert

Paul Gilbert, bekannt durch seine Arbeit mit Racer X und Mr. Big, ist ein wahrer Meister der Kombination verschiedener Techniken. Er verbindet rasantes Picking mit Legato-Techniken und schafft so einen einzigartigen, flüssigen Stil. Seine Lehrvideos, wie „Intense Rock“, haben Generationen von angehenden Metal-Gitarristen inspiriert und geprägt. Auch in Online-Kursen, wie „10 Steps to Modern Shredding“, teilt er sein umfangreiches Wissen. Einen guten Überblick über verschiedene Solotechniken, die auch im Metal relevant sind, findet man zudem bei Bonedo.

Moderne Shredding-Virtuosen: Bernth Brodträger

Ein weiteres Beispiel für die Exzellenz im modernen Shredding ist Bernth Brodträger. Er kombiniert technische Brillanz mit musikalischer Finesse und hat sich in der Szene einen Namen gemacht. Seine Online-Präsenz, unter anderem auf Wikipedia, zeigt, wie moderne Gitarristen ihr Können und Wissen weitergeben.

Tapping: Beide Hände im Einsatz

Eddie Van Halen machte das Tapping in den 1980er Jahren populär und öffnete damit die Tür für eine völlig neue Spieltechnik. Hier werden beide Hände auf dem Griffbrett eingesetzt, um Noten zu erzeugen. Das ermöglicht extrem schnelle und komplexe Läufe, die mit herkömmlichen Techniken kaum zu realisieren wären. Im Metal wird Tapping oft für Soli verwendet, die vor Geschwindigkeit nur so strotzen.

Tremolo Picking: Mehr als nur Zittern

Tremolo Picking ist das extrem schnelle, wiederholte Anschlagen einer einzelnen Note. Das erzeugt einen intensiven, fast schon aggressiven Klang. Während „Misirlou“ von Dick Dale eher dem Surf-Rock zuzuordnen ist, finden wir im Metal zahlreiche Beispiele für den effektiven Einsatz von Tremolo Picking. Slayers „Angel of Death“ oder „Black Magic“ sind Paradebeispiele für den Einsatz von Tremolo Picking in Thrash-Metal-Riffs. Es erzeugt eine dichte, treibende Klangwand.

Subgenres und Innovationen: Die Vielfalt des Metal

Der Metal hat sich im Laufe der Zeit immer weiter diversifiziert. Neue Subgenres entstanden, und mit ihnen kamen neue spieltechnische Herausforderungen und Innovationen. Djent und Progressive Metal sind nur zwei Beispiele für diese spannende Entwicklung.

Djent: Der Sound der tiefen Saiten

Djent-Gitarristen, wie Tosin Abasi von Animals as Leaders (der übrigens am AIMM studiert hat), haben extrem komplexe Rhythmusmuster und Polyrhythmen entwickelt. Oft kommen hier tiefe Stimmungen und 7- oder sogar 8-saitige Gitarren zum Einsatz. Polyrhythmen? Das bedeutet, dass verschiedene Taktarten gleichzeitig gespielt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Meshuggahs „Bleed“, wo die Gitarren einen vertrackten Rhythmus spielen, der sich gegen den geraden Beat des Schlagzeugs verschiebt. Das erzeugt diesen dichten, oft als „chaotisch“ empfundenen Sound, der für Djent so typisch ist.

Progressive Metal: Mehr als nur Technik

Progressive Metal Bands wie Dream Theater (mit Gitarrengott John Petrucci) integrieren Einflüsse aus Jazz und klassischer Musik in ihre Musik. Das Ergebnis sind komplexe Harmonien, vertrackte Melodien und ausgedehnte Instrumentalpassagen. Opeth und Tool sind weitere Beispiele für die enorme Vielfalt des Progressive Metal. Hier findet man oft lange, vielschichtige Songs mit komplexen Soli, die weit über das hinausgehen, was man im traditionellen Metal erwartet. Berklee Online bietet interessante Einblicke in einige der fortgeschrittenen Techniken, die im Progressive Metal zum Einsatz kommen.

Black Metal: Die kalte Seite des Metal

Auch im Black Metal haben sich ganz eigene Spieltechniken entwickelt. Glissandierende Akkorde, bei denen Akkorde mit einer oder mehreren offenen Saiten kombiniert und dann über das Griffbrett gezogen werden, erzeugen eine düstere, dissonante Klangfarbe. Tremolo Picking wird hier oft eingesetzt, um dichte, atmosphärische Klangwände zu erzeugen – ein Gefühl von Kälte und Unendlichkeit. Zwei-Ton-Harmonien, oft in Terzen oder Quinten, spielen in melodischeren Black-Metal-Passagen eine wichtige Rolle. Sie erzeugen eine melancholische oder epische Atmosphäre. Ein Beispiel dafür ist das Hauptriff von „Mother North“ von Satyricon. Bands wie Emperor und Mayhem sind bekannt für ihren prägenden Einsatz dieser Techniken, die einen kalten, oft als „roh“ empfundenen Sound erzeugen. Wer mehr über Black Metal-Gitarrentechniken erfahren möchte, findet bei der New York City Guitar School weitere Informationen.

Der Bass im Metal: Mehr als nur Begleitung

Auch der Bass spielt im Metal eine entscheidende Rolle, und das nicht nur als Rhythmusgeber. Cliff Burton von Metallica war ein wahrer Pionier, der die Rolle des Basses im Metal neu definiert hat.

Cliff Burton: Ein Revolutionär am Bass

Cliff Burton erweiterte die Rolle des Basses im Metal auf eine Art und Weise, die bis dahin undenkbar war. Er integrierte Gitarrentechniken wie Tapping und Harmonics in sein Spiel und schuf so völlig neue Klangwelten. Sein legendäres Bass-Solo „Anesthesia (Pulling Teeth)“ vom Album „Kill ’Em All“ ist ein Paradebeispiel für seine Innovation und Virtuosität. Es war damals absolut ungewöhnlich, dass ein Bassist im Metal so im Vordergrund stand und Soli spielte. Burton nutzte Effekte wie Verzerrer und Wah-Wah, was für Bassisten zu dieser Zeit alles andere als üblich war. Dazu kam, dass er klassische Musik studiert hatte, was seinen melodischen Stil maßgeblich beeinflusste.

Weitere Wegbereiter am Bass

Neben Cliff Burton gibt es natürlich noch weitere Bassisten, die zur Evolution des Metal-Bassspiels beigetragen haben. Steve Harris von Iron Maiden ist bekannt für seinen galoppierenden Rhythmus, Geezer Butler von Black Sabbath für seine schweren, doomigen Basslinien und Lemmy Kilmister von Motörhead für seinen aggressiven, verzerrten Sound. Sie alle haben den Bass im Metal zu einem eigenständigen und wichtigen Instrument gemacht.

Ausdruck, Individualität und die Rolle des Equipments

Bei all der technischen Finesse, die im modernen Metal gefragt ist, darf man eines nicht vergessen: den Ausdruck und die Individualität. Es geht nicht nur darum, möglichst schnell und fehlerfrei zu spielen, sondern auch darum, der Musik eine persönliche Note zu verleihen.

Finde deinen eigenen Stil

Kerry King von Slayer betont, wie wichtig es ist, die Geschwindigkeit langsam aufzubauen und nicht zu übertreiben. Er ist auch ein Verfechter davon, „Regeln zu brechen“, was den rebellischen und experimentellen Geist des Metal perfekt widerspiegelt. Viele Metal-Gitarristen haben ihren ganz eigenen Stil gefunden, indem sie unkonventionelle Techniken einsetzen, mit Effekten experimentieren oder ungewöhnliche Stimmungen verwenden. Guitar.com bietet interessante Einblicke in Kings Herangehensweise und seine Philosophie.

Das richtige Werkzeug: Equipment

Auch das Equipment spielt eine entscheidende Rolle bei der Klangformung. Der typische Metal-Sound wird oft durch High-Gain-Verstärker und spezielle Tonabnehmer erreicht. Aber Gitarristen wie Tom Morello von Rage Against the Machine zeigen, dass man auch mit unkonventionellem Equipment einen einzigartigen und kraftvollen Metal-Sound erzeugen kann. Letztendlich geht es darum, das Equipment zu finden, das am besten zu deinem persönlichen Stil und deinen musikalischen Vorstellungen passt.

Übung macht den Meister (und die Konkurrenz schläft nicht)

Die ständige Weiterentwicklung der Techniken im Metal erfordert natürlich viel Übung und Hingabe. Um die Geschwindigkeit beim Alternate Picking zu verbessern, ist es zum Beispiel hilfreich, mit einem Metronom zu üben und das Tempo schrittweise zu steigern. Eine gute Übung ist es, chromatische Tonleitern über das gesamte Griffbrett zu spielen. Es gibt unzählige Online-Ressourcen, YouTube-Tutorials und Online-Kurse, die dir dabei helfen können, deine Technik zu verbessern. Eine Studie von PsyPost zeigt übrigens, dass die Geschwindigkeit des Gitarrenspiels im Extreme Metal mit intrasexueller Konkurrenz verbunden ist. Das deutet darauf hin, dass die Motivation, extreme Techniken zu meistern, auch im Wettbewerb mit anderen Musikern liegt – ein weiterer Ansporn, am Ball zu bleiben!

Die Zukunft der Metal-Gitarre: Ein Blick nach vorn

Die Evolution der Gitarrentechniken im modernen Metal ist ein fortlaufender Prozess, eine ständige Suche nach neuen Ausdrucksformen und klanglichen Möglichkeiten. Innovation, Virtuosität und der unbändige Drang, Grenzen zu überschreiten, prägen diese Entwicklung. Die Gitarre im Metal hat sich von ihren bluesbasierten Grundlagen zu hochkomplexen und technisch anspruchsvollen Spielstilen entwickelt. Und die Reise ist noch lange nicht zu Ende. Die ständige Innovation und das Streben nach Perfektion werden die Gitarrentechnik im Metal immer wieder neu definieren. Die Möglichkeiten sind grenzenlos, solange es Musiker gibt, die den Mut haben, neue Wege zu gehen.

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